Finissage Günter Schöttner “Comeback”

Auch im Falle von Ausstellungen hieß es in den letzten beiden Jahren: verschoben.

Nun erhielt der Künstler Günter Schöttner endlich auch mit einer Finissage am 3. August 2022 im St.Marien-Krankenhaus in Klotzsche die verdiente Würdigung.

Aus diesem Grunde hier auf diesem Wege mein Text zu dieser Veranstaltung:

Jedes Thema bedarf eines „Aufhängers“.
So habe ich überlegt, was noch ungesagt sein könnte über Günter Schöttner. Etwas echt Tiefgründiges, etwas absolut Persönliches, etwas total Neues. Ich habe Günter Schöttner besucht und mit ihm mehr als die hier gezeigten Arbeiten besprochen. Wir haben über die Anfänge geredet. Er hat mir mit großer Begeisterung die wahrscheinlich zum x.Male erinnerte Geschichte von Willy Wolff und dem Beginn seiner Leidenschaft erzählt. Kunstwissenschaftliche Größen dieser Stadt und bekannte Rezensienten haben über ihn gesprochen und geschrieben. Was also sollte ich dem noch hinzufügen können?
Und als meine Gedanken um dieses Thema kreisten, kam ich drauf. Es bedurfte des „Aufhängers“, wie erwähnt.
Und so kann eben nicht nur vom Künstler Günter Schöttner die Rede sein, sondern auch von dem Mann, der die Bilder aufhängt, dem Kurator Günter Schöttner.
1984 war nicht nur – nach der persönlichen Begegnung 1982 mit dem in Trachau geborenen Künstler Willy Wolff – der Beginn seiner künstlerischen Orientierung. Ab 1984 organisierte er hier in diesem Haus regelmäßige Kunstausstellungen. Das wirkungsvolle Sichtbarmachen, die „Hängung“ brachte er sich selbst bei. Dazu muss man wissen, dass es wirklich nicht unerheblich ist, in welcher Art Kunstwerke präsentiert werden. Da Günter Schöttner jedoch der Blick fürs Wesentliche und insbesondere die Ästhetik von Dingen inne wohnt, konnte der Künstler das Bedürfnis nach Ausdruck mit dem Auge für wirkungsvolle Präsentation verknüpfen. So entstand eine Kollaboration von handwerklicher und künstlerischer Tätigkeit, die bis zu seinem Weggang vor 5 Jahren hier ihren Wirkungskreis hatte.
Kein Wunder also, dass sein Comeback gleichsam auch das des Kurators sein sollte.
Ausgewählt hat er Werke aus jüngster Zeit oder sagen wir besser: aus einem Zeitraum der letzten 10 Jahre. Und auch wenn uns einige Arbeiten bekannt sind, so finden sich doch viele noch nie gezeigte.

Günter Schöttner möchte nicht die Welt erklären. Er mag auch keine Tipps zur Weltverbesserung geben. Seine Collagen sind Denkschnipsel – manchmal im wahrsten Sinne des Wortes. Und natürlich stolpert der Betrachter über gewisse Verknüpfungen. Besonders, wenn der Titel in eine Richtung lenkt. Denn das ist auch das (relativ) Neue an den Werken Günter Schöttners: sie tragen kaum noch den offenen „o.T.“ – ohne Titel. Sie sind – meist kurz und knapp, dabei oft poetisch – kleine Impulse, die manchmal große bewirken (können).
Was fällt Ihnen z.Bsp. ein bei „Anschub“? Oder können Sie sich einen „Dancefloor“ auf Papier vorstellen? „Sonata à très“ – eine Partitur für ein Konzert? „Mare“ kommt nicht nur sprachlich spanisch daher, sondern bildet auch ganz und gar unentwirrbare Knoten vor unseren Augen.
Die „grüne Welle“ dünkt Sie parteiergreifend? Die „Short-list“ erinnert Sie an die Buchmesse?
Assoziationen. Bei mir. Und bei Ihnen?
Günter Schöttner arbeitet zumeist in Serien. Das betrifft sowohl Formate als auch verwendetes Material. Fast immer bleibt er dabei in einem bestimmten Farbkreis. Klassisch nutzt er ohnehin meist entweder die Kombination Schwarz/Weiß oder die Grundfarben Gelb, Rot, Blau und Grün.
Ein kräftiges Orange durchbricht das Schema und lässt dann schon fast Zweifel an der serialen Ausrichtung aufkommen. Aber Ausnahmen bestätigen ja die Regel, sagt man.
Der für ihn charakteristische Wechsel zwischen strenger und freier Form bildet die Grundlage aller seiner Arbeiten. In denen er sich an die Tradition der Pop-Art anlehnt und seine Wahlverwandtschaften nicht leugnet, nicht verleugnen will. Dabei jedoch originell Neues erschafft. Seine Assemblagen und Collagen fertigt er aus Fundstücken jeglicher Art. Ihrer ursprünglichen Funktion enthoben, zum Teil bearbeitet, entstehen im neuen Kontext poetische Bilder. Die Entfremdung eröffnet neue Sichten und fordert die Phantasie des Betrachters.
Ich fand es interessant zu erfahren, was sich hinter dem einen oder anderen Funstück verbirgt und ich bin sicher, dass Günter Schöttner auch Ihre Fragen dazu gern beantwortet. Denn wenn Papier wie beschlagenes Metall anmutet und Teile einer Schreibmaschine eine Partitur symbolisieren, ergeben sich ungeahnte bildnerische Kompositionen. Dabei beruft er sich auf seinen Wahlverwandten, den Schweizer Künstler Daniel Spoerri, der „den banalen Dingen die Autonomie zurück (gibt), durch die erst die Freiheit entsteht, neue Bedeutungen darin zu entdecken.“ (Zitat Ausstellungskatalog D.S.).
Vielem, was Günter Schöttner herstellt, liegt ein ganz eigener Rhythmus zu Grunde. Ein Grund dafür mag sein, dass er beim Schöpferisch-Tätigsein gern Musik hört. Seine Vorliebe für Jazz scheint dabei unübersehbar. Eine zentrale Ausrichtung im Bild ist ihm weitestgehend fremd, was jedoch nichts mit einer disharmonischen Komposition zu tun hat. Die lehnt der Künstler kategorisch ab. Aber Improvisation spielt bei seiner bildhaften Arbeit eine große Rolle. So wie die Improvisation ein grundlegendes Element des Jazz ist, indem der Musiker auf seinem Instrument Gefühle und Stimmungen in Töne verwandelt und damit viel von sich preis gibt. Eine intensive Kommunikation entsteht, wenn dieser musikalische Ausdruck wiederum von anderen Musikern aufgenommen, weiter interpretiert wird und das Publikum zu ergreifen vermag. Ein perfekter Anlass, heute den hervorragenden Dresdner Jazzmusiker Scotty Böttcher hier zu begrüßen, der die musikalische Begleitung der Finissage übernimmt. Denn nichts Anderes passiert auch in und mit den Arbeiten von Günter Schöttner: sie interagieren in feinster Weise, indem Materialien gemixt werden und der Betrachter in die Lage versetzt wird Stimmungen zu erspüren.

Nun doch noch für die, die vielleicht heute erstmals dem Künstler Günter Schöttner begegnen, eine kleiner biographischer Abriss.
In Dohna geboren, arbeitete er nach einer Lehre als Feinblechner seit 1975 im Marien-Krankenhaus als Haustechniker oder besser gesagt: Allrounder. Denn, wie bereits erwähnt, organisierte er ab 1984 die hiesigen Kunstausstellungen. Und nicht nur die Hängung, sondern auch die Absprachen mit den Künstlern übernahm er und zum Teil sogar die Transporte der Kunstwerke. Außerdem hielt er vielfach die Eröffnungsreden. Die dann so beliebt wurden, dass er anderweitig dafür engagiert wurde…
Seit 1997 ist er Mitglied des Sächsischen Künstlerbundes e.V. und seit 2002 Mitglied des Neuen Sächsischen Kunstvereins. Er kann über zahlreiche Personalaus-stellungen sowie Ausstellungsbeteiligungen im In-und Ausland zurückblicken.
Seine Produktivität ist unerSCHÖTTerlich, sein Kunstbestand stetig wachsend und platzgreifend. Denn zu seinen hier gezeigten Werken gesellen sich ja viele der früheren Objekte, die auch in ihrer Größe beeindruckend und platzfordernd sind.
„Comeback“ bedeutet indes nicht nur Rückkehr, sondern auch Neuanfang. Dies meint hier nicht einen gänzlichen Neu-Beginn. Aber weil die Ideen und Materialien dem Künstler nicht auszugehen scheinen, sind noch viele neue, spannende Arbeiten von Günter Schöttner zu erwarten.

Und da man ja manchmal nach einem „Aufhänger“ sucht, lässt sich bei aller Poesie, die auch den Kunstwerken von Günter Schöttner zu eigen ist, mit dem poetischen G von Goethe abschließen:

 

Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.

Solvig Frey, 03.08.2022