„PAPA MAMA DADA“ – 4. Juni 2022 im Kunstverein Freital
Petra Lorenz, Volker Lenkeit und Frank Voigt
Es ist angerichtet bzw. aufgefächert – möchte ich in Fächersprache sagen und Sie einladen zu einem Dialog. Zu einem Dialog mit den so vielfältigen künstlerischen Ausdrucksweisen, die wir hier in der Ausstellung „PAPA MAMA DADA“ nicht ver-, sondern gesammelt sehen. Zu einem Dialog mit Künstlern aus aller Welt. Mit Künstlern, die sich einem Projekt bzw. mehreren angeschlossen haben.
„Lassen Sie uns Freunde sein“ – sagt der Fächer, noch ein unbeschriebenes „Blatt“. Sorgsam verpackt von Petra Lorenz hat er seine Reise angetreten u.a. nach Frankreich, Österreich, Spanien. Kreativ gestaltet wurde er zurück zur Sammlerin nach Deutschland geschickt.
Daneben gibt es die freie Fächerform: Hand Fan VII. Und hier lassen sich die verrücktesten Collagen, die schönsten Bemalungen, die entzückendsten Vintageornamente, die witzigsten Fächerformen entdecken.
Da scheint sich MAMA was Schönes ausgedacht zu haben um PAPA zu begeistern und gemeinsam was?: DADA zu machen.
Und genau hier passt dieser Begriff auch hin. Denn DADA (meist) ohne Form – wurde 1913 getauft und zur Kunstform erhoben. Die Taufe wird dem Schriftsteller Hugo Ball zugeschrieben. Schön verrückt waren sie ja die Künstler vor mehr als 100 Jahren. Aber wer sagt denn, dass dies vorbei sei. Bezeugen doch Kunstausstellungen und Bienalen und gerade diese Ausstellung hier, wie verrückt, eigenwillig, auf sich bezogen oder Ereignisse kommentierend Kunst sein will, sein muss. Manch Einem oder Einer kommt sie vielleicht sinnfrei vor. Darüber würden die Dadaisten jetzt lachen. Tun vielleicht unsere Protagonisten hier auch. Aber eigentlich ist es nur die Freude am Fabulieren. Der Spaß am Miteinander: Spielen. Arbeiten. Experimentieren. Die Collage als künstlerischer Ausdruck für das, was nicht gesagt werden kann oder nur gezeigt werden will.
Dafür wurden Zeitschriften gefleddert, Trödelmärkte abgeklappert, alte Truhen durchwühlt.
Das Arbeitszimmer eines Collagekünstlers würde manchen Firmenchef mit der Vision Henry Fords vom effizienten Arbeitsplatz verzweifeln lassen. Wenn Hermann Hesse sagte: «Das Chaos will anerkannt und gelebt werden, bis es sich in neue Ordnung bringen lässt.» , so spricht dies vorallem für das vielzitierte Genie, das Ordnung ins Chaos bringt. Und dies lässt sich nur in sogenannten kreativen Inseln der Unordnung leben, besonders in der Kunst.
Aus 20 Ländern kommen die ca.70 Künstler, die bisher weit über 300 Arbeiten zu diesen Projekten beigetragen haben.
Hinzu kommen nochmal etwa 300 Briefe, die Art-mails.
Viele der Kunstwerke befinden sich mittlerweile als Schenkung in der Sammlung der Neuen Sächsischen Galerie in Chemnitz, der TU Dresden und im Museum für Kommunikation Frankfurt/Main.
Nein. Ich kann hier nicht jeden einzelnen Künstler benennen. Nur stellvertretend möchte ich Allan Bealy aus den USA, Alexander Limerev aus Russland, Cristina Holm Sova aus Spanien, Jude Worters aus Australien, Peter Dowker aus Kanada und Sabine Remy sowie Wolfgang Petrovsky aus Deutschland erwähnen. Diese Künstler haben mit der Fülle und Beständigkeit ihrer Zusendungen gewissermaßen eine exponierte Stellung in der Sammlung erlangt.
Aber nicht vergessen möchte ich die Künstlerin und die Künstler, die diese Sammlung überhaupt möglich machten und natürlich auch zur Vielfalt selbst beitrugen und noch beitragen: Petra Lorenz, Volker Lenkeit und Frank Voigt.
Seit 2014 sammeln sie, kennen sich allerdings bereits schon viel länger. Fanden zusammen in der gemeinsamen Arbeit an einem Mail-Art-Projekt.
Die in den 60er Jahren in den USA entstandene Idee der Mail-Art machte die Postkarte und den Brief zum Kunstobjekt.
Erinnern Sie sich an das schöne Kinderspiel: der Erste malt den Kopf, knickt das Blatt um, der Nächste malt den Rumpf ohne den Kopf zu kennen, der Letzte den Rest des Körpers. So ähnlich, aber natürlich unter dem Vorzeichen der Kunst und in Kenntnis der Vorlage entsteht Mail-Art. Nicht nur der künstlerische Austausch steht dabei im Vordergrund.
In den 80er Jahren zählte für die hiesigen Künstler dabei noch ein anderer Aspekt. Man versuchte über die Grenze, über Sprach- und Kultur- sowie politische Barrieren hinweg Kontakte zu anderen Künstlern zu knüpfen. Manche der Briefe wurden abgefangen, waren dem System suspekt und brachten ihre Macher in ernsthafte Schwierigkeiten.
Dass sich diese Kunstform trotzdem erhalten und sogar weiter entwickelt hat, ist natürlich einerseits der politischen, andererseits aber auch der technischen Entwicklung zu verdanken.
Wenn die elektronische Post im Vordergrund unserer heutigen Kommunikation steht, der handgeschriebene Brief leider viel zu selten noch Menschen miteinander verbindet, so ist doch unschwer vorstellbar, welche Freude beim kreativen Prozess, welche Inspiration und welches Zugehörigkeitsgefühl die am Mail- Art-Projekt beteiligten Künstler empfunden haben mussten. Und noch empfinden, muss man ja sagen.
Ja! Ich kann spüren, welches Vergnügen diese Kollaboration allen daran Beteiligten bereitet hat, wenn ich mir die fertigen Arbeiten ansehe.
Doch nochmal zurück zu den Sammlern, die uns mit dem fleißigen Zusammentragen dieser Werke erfreuen.
Drei unterschiedliche Handschriften und drei, nicht nur auf künstlerische Weise ineinander verschlungene Wege – ihren Ausdruck finden diese in den Objekten der „Drehmichs“.
Hier können Sie mal versuchen herauszufinden, wer welche Seite gestaltet hat – ich glaube, es wird Ihnen genauso schwer fallen wie mir.
Während Volker Lenkeit seine künstlerische Ausbildung in Dresden an der Hochschule für Bildende Künste, Frank Voigt in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst erhielt, studierte Petra Lorenz Kunstgeschichte in Tübingen und Augsburg.
Dass alle Drei jedoch nicht nur spielerisch-künstlerisch versiert sind, zeigt der Umfang der gesammelten Arbeiten. Denn logistische Fähigkeiten, die Verwendung sozialer Medien, der Umgang mit digitaler Kunst sind Voraussetzungen, die zum Gelingen dieses Projektes nötig sind. Auf dieser Basis sind inzwischen schon einige Ausstellungen zu Stande gekommen; unter dem Titel „PAPA MAMA DADA“ wurde 2019 die bisher größte Schau mit Werken des artxmail-Projektes und Collaboration in der Neuen Sächsischen Galerie in Chemnitz gezeigt.
Ein neues Projekt für den Herbst diesen Jahres ist in Arbeit. Denn bald sollen alle diese und weitere Werke im internationalen DADA-Zentrum in der Stadt Kamenz ein festes Zuhause erhalten. Die Zustimmung der Örtlichkeit ist erteilt. Ob PAPA MAMA DADA als Name dafür fungieren wird, ist noch fraglich.
Aber die Idee wird auf jeden Fall weiter getragen werden.
Mit speziellen Angeboten für Jung und Alt hat sich das Trio das Fördern von Kreativität auf die Fächer, nein, ich meine natürlich die „Fahnen“ geschrieben.
Nun möchte ich „Auf Wiedersehen“ sagen, nämlich gleich, beim Rundgang durch die Ausstellung. Und sicher werden die anwesenden und veranstaltenden Künstler gern Rede und Antwort stehen zu den Werken, den beteiligten Künstlern, Entwicklungen und zukünftigen Plänen.
Und so wünschen wir der nun endlich mit anderthalb Jahren Verspätung eröffneten Ausstellung viele interessierte Besucher.
Solvig Frey, 4.Juni 2022