St.Marien-Krankenhaus Klotzsche

Anke Kutzschbauch „Roter Faden“, 24.August 2022
St.Marienkrankenhaus

Der Begriff „Flickenteppich“ wird umgangssprachlich oft negativ konnotiert verwendet.
Im Falle dieser Ausstellung erscheint er mir allerdings als ein positiv besetztes und sehr gut passendes Bild.
Denn Anke Kutzschbauch macht „in Textil“. Und das nicht erst seit ihrem Textildesignstudium an der Fachhochschule für angewandte Kunst in Schneeberg, das sie von 1991 bis 1994 dort absolvierte.
Schon mit 12 Jahren nähte sie sich ihre Kleidung selbst. Oft musste der Kleiderschrank der Großeltern dafür herhalten. Bettlaken und Nachthemden wurden gefärbt, zerschnitten und zu neuen Kleidungsstücken verarbeitet. Manchmal wurden sie zusätzlich mit Stick- oder Textilpatchwork versehen.
Der textilen Handarbeit haftet oft ein großmütterlicher Charme an. Unter der Bezeichnung „ Textile Volkskunst“ wurde diese Kunstgattung in der hiesigen Vergangenheit eher stiefmütterlich behandelt. Dabei umfasst dieses Gebiet ein weitreichendes Spektrum und verdient mehr als bloße Beachtung.
Aktuell ist der französisch-amerikanischen Künstlerin Louise Bourgeois, die Textilien in ihrer Kunst verwendete, eine Ausstellung in Berlin gewidmet.
Ganz anders arbeiteten die von Anke Kutzschbauch sehr geschätzten regionalen Künstlerinnen: Elisabeth Ahnert und Brigitte Brettschneider – ehemals aus Chemnitz bzw. Meißen stammend.

Aber lassen Sie uns doch das Bild des Flickenteppichs genauer anschauen.
Üblicherweise wird ein Flickenteppich aus langen zusammengenähten Stoffstreifen hergestellt. Meistens sind es Stoffreste, die dabei Verwendung finden. Beim Flickenteppich werden sie auf einheitliche Längen gebracht.
Stellen wir uns jedoch einen Flickenteppich als Bild mit vielen kleinen und großen Feldern vor, so kommen wir der Arbeit von Anke Kutzschbauch schon ein Stückchen näher. Auf den ganz unterschiedlichen Größen der Felder könnten wir die verschiedenen Kunstgattungen entdecken, die die Künstlerin bedient – nämlich nicht nur Textilkunst, sondern auch Collage, Grafik, Zeichnung und Malerei.
Denn nach ihrem Textildesignstudium studierte Anke Kutzschbauch von 1994 bis 1999 noch Malerei und Grafik an der HfBK in Dresden bei Elke Hopfe, Siegfried Klotz und Max Uhlig.
Also gibt es auf unserem imaginären Flickenteppich neben dem Feld mit Zeichnungen eines mit Druckgrafik. Von Beidem hat sie etwas mit in diese Ausstellung gebracht.
Wir dürfen Einblick nehmen u.a. in ihre Arbeiten auf Japanpapier: mit Tusche gezeichnete knorpelige Bäume, die sich im Wind wiegen oder vom Regen gepeitschte Landschaften.
Landschaften finden sich auch in der colorierten Druckgrafik. Ein schöner Lauf durch die Jahreszeiten. Entstanden ist ein Teil dieser Bilder auf den Feldern rund um das Haus, das sie gemeinsam mit ihrem Mann seit 12 Jahren in Löthain bewohnt. Ihr Sohn ist mittlerweile zurück in die Stadt zum Studieren gezogen.
Andere sind Ergebnisse von Pleinairs, die sie mit befreundeten Künstlern u.a. an der Ostsee abgehalten hat.
Überhaupt ist sie gern und viel draußen und unterwegs.
Das ehemalige Stadtkind, das kein Haustier haben durfte, widmet sich nun der Kaninchenzucht. Auch hiervon zeugt ein Bild, eine Druckgrafik. Vielleicht ist es eine dunkle Grafik geworden, weil den Kaninchen keine lange Bleibe vorbehalten ist…?

Ein weiteres Feld auf unserem Flickenteppich stellen die Pastelle dar. Sonne, Regen, Sturm werden am Meer sichtbar durch zarte oder großzügig gesetzte Striche bzw. Farbflächen. Die Wolkendecke hängt mal tief und mal ist sie einfach weggepustet. Schwere trifft auf Leichtigkeit.

Collagen verweisen auf die Richtung, die wir auf dem Teppich nehmen. Sie sind ein weiteres Arbeitsfeld im künstlerischen Schaffen von Anke Kutzschbauch. Überlagerungen deuten ihre Arbeitsweise an. Es wird „geschichtet“.
Bei den Collagen verschmelzen Zeichnung, Malerei und Papier zu oft abstrakten Kunstwerken.

An das „Geschichtete“ anknüpfend wenden wir uns nun der Textilkunst zu. Dieses große Feld braucht natürlich auch einen großen Hintergrund. Dieser besteht aus einem großen Sammelsurium von Stoffen. Wichtig ist der Künstlerin keine neuen Stoffe zu verwenden. Dann erfüllt sich für sie Nachhaltigkeit und achtsamer Umgang mit Ressourcen. Doch nicht allein das ist der Grund.
Am liebsten verarbeitet sie Stoffe oder Kleidungsstücke, die ihr aus ihrer Familie zugetragen werden. Daraus schöpft sie ihre ganz eigene Inspiration. Die Applikationen sind im Ergebnis gelebte Geschichte.
Sie erzählen der Künstlerin ihre und sie erzählen uns vielleicht die eine oder andere Geschichte.

Textilien gehören zum Ältesten, was Menschen hergestellt haben. Bis heute wird nach neuen, aber vor allem nachhaltigen Herstellungsmethoden geforscht. Dass Fast Fashion Umwelt und Geldbeutel belasten, wissen wir.
Aber wussten Sie, dass in einem Altkleiderlager täglich etwa 85 Tonnen Altkleider ankommen? Davon werden 30-40% nach Afrika und andere Drittländer verschickt, 40-50% werden zu Dämmmaterial verarbeitet und 10 % landen in der Müllverbrennung. Laut Greenpeace werden ca.100 Milliarden Kleidungsstücke im Jahr produziert.
Jede(r)Einzelne von uns kauft ca.60 Stück neu pro Jahr.

Umso schöner zu sehen, wie aus alten Kleidungsstücken Neues entstehen kann. Anke Kutzschbauch besitzt einen großen Stoff-Schatz in ihrem luftig-offenem Atelier.
An manchen Tagen streicht ihr Mann mit den Händen über die verschiedenen Stoffe und bewundert die Sammlung mit ihren Farben und Mustern. So holt er sich Inspiration für seine eigene Malerei.

Die Applikationen werden alle von Hand vernäht und benötigen Zeit und Sorgfalt:
Die Balkonpflanzen in frischer Blüte, die bunt-belebte Blumenwiese, der Ausflug ans Meer zum FKK-Strand, der Kirschbaum in seiner Blüte, das Fenster mit dem Stillleben aus Alltagsgegenständen davor, der Vogel und… aber sehen und entdecken Sie selbst.

Insekten und Schmetterlinge tummeln sich indes nicht nur auf diesen Bildern, sie bevölkern auch ein großes Blumenfeld im Garten von Anke Kutzschbauch. Die Gärtnerin ist wie die Künstlerin eine Handarbeiterin.
Die Samen abgeblühter Pflanzen erntet sie und steckt sie in selbstgestaltete Samentüten. Diese Unikate gibt es in der Galerie art+form (Achtung: Werbung!)- auch online – zu erwerben.

Und damit Sie nicht in ein „schwarzes Loch“ schauen, möchten wir den Flickenteppich noch fein säuberlich mit dem „Roten Faden“ auf eine feste Unterlage bringen, vorzugsweise auf eine gefilzte. Die hält nämlich alles stabil und gut zusammen. Und ist natürlich auch von Anke Kutzschbauch handgefilzt.
Und wenn Sie, wie ich, kein „schwarzes Loch“, sondern eine Sonnenblume in der Applikation erblicken, dann hat die positive Konnotation des Wortes „Flickenteppich“ gegriffen.

Der Künstlerin Anke Kutzschbauch wünsche ich indessen viel Erfolg mit dieser Ausstellung. Dieser definiert sich hier sicherlich über Mundpropaganda.

Über Kunst zu reden – mag sie kontrovers, schlicht oder hochtrabend daher kommen – ist doch das schönste Feedback, das sich der Künstler oder: in dem Falle die Künstlerin, wünschen kann.
In dem Sinne: genießen Sie den Rundgang durch die verschiedenen Schaffensfelder von Anke Kutzschbauch.

Solvig Frey
24.August 2022