Ausstellung im St.Marien-KH Klotzsche

„So viele Himmel“ – Karen Roßki, 28.09.2023

An jenem Tag im blauen Mond September
Still unter einem jungen Pflaumenbaum
Da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe
In meinem Arm wie einen holden Traum.
Und über uns im schönen Sommerhimmel
War eine Wolke, die ich lange sah
Sie war sehr weiß und ungeheuer oben
Und als ich aufsah, war sie nimmer da.

Sie wissen sicher, wer hier unter einem Himmel nach oben sah…?
a)Heinz Kahlau
b)Bertolt Brecht
c)Heinrich Heine

Wann haben Sie eigentlich zum letzten Mal intensiv in den Himmel geschaut? Wolken verfolgt? Ihnen Tiernamen gegeben? Und ich meine nicht Kondensstreifen oder die Spuren, die man Chemtrails nennt.
Wo bleibt in einer nie still stehenden Alltagsmühle Muse dafür? Muse meint etwas, was mit Langeweile, Müßiggang einhergeht. Leider sind diese Worte in unserem antrainierten Verständnis und Sprachgebrauch negativ besetzt. Im Grunde sind sie jedoch genau das, was Mensch braucht. Denn wie die Wissenschaft herausgefunden hat, ist er (der Mensch) „durch die Entwicklung dazu geeignet, Beeren zu pflücken und zu faulenzen. Nicht aber den ganzen Tag den Acker zu bestellen und schwere Lasten zu schleppen.“, schreibt Rutger Bregman in seinem Buch „Im Grunde gut“.
Da staunen Sie, oder?
Nun, heute haben Sie die Gelegenheit – mit Muse durch die Gänge zu schlendern, die Blicke schweifen und verweilen zu lassen…auf farbenintensive Landschaften unter vielen Himmeln. Denn die Himmel von Karen Roßki präsentieren sich vielfarbig und vor allem vielversprechend. Sonnendurchflutete Himmel werden von stürmischen Wolkenfeldern abgelöst. Die abendliche Sonne kämpft sich im Spätsommer durch die Wolkenschicht, schickt letzte wärmende Strahlen hinunter. Hellgleißende Lichtflut benimmt die Sicht. Und ein goldenes Leuchten versetzt in romantische Stimmung.

Karen Roßki malt nicht in Pleinars. Sie macht auch keine Skizzen oder Fotos vom Gesehenen. Nein: Sie nimmt die atmosphärische Stimmung vor Ort auf und kann sie in ihrem großen, weit offenen und hellen Atelier aus der visuellen Wahrnehmung/Speicherung heraus in Malerei oder Zeichnung umwandeln. Auch kleinste Nuancen oder Begegnungen sind es ihr wert in eine Poesie der Farben übertragen zu werden. Dann fließen die Farben direkt aufs Papier – wie ein Gedicht.

die Speichen drehn
vom Rad
und
darunter liegen
nur
grün muss
dann der Himmel sein
mit knallig gelben Blumen
die
wir pflücken
und
ans Rad stecken
für ne Zeit

So ungefähr, stelle ich es mir vor.
Denn ich bin keine Malerin der Farben.

Nach den Farben kommen die Linien und Formen. Sie ergänzen die visuell abgespeicherten Fundstücke und bilden neue.
Anders die entweder in zarten Pinselarbeiten oder mit kräftigen Pinselzügen gefertigten Naturstrukturen. Doch auch hier werden vorrangig Stimmungen transportiert.

Die Frage nach Entstehungszeit, Entstehungsgrund stellt sich nicht. So, wie Gedankenprozesse ihren Lauf, ihre Zeit benötigen, so langwierig ist manch Malprozess. Vieles, auch Untergründiges, Unbewusstes schwingt da mit und tritt zu Tage. Nicht benannt, offenbart es sich nur seiner Schöpferin. Und wird zu etwas Größerem durch das Hinaustreten in den öffentlichen Raum. Durch eine Begegnung mit dem Betrachter, also auch mit uns.

Karen Roßki, in Dresden geboren, hat nach einer Facharbeiterausbildung zur Schrift- und Grafikmalerin an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle Malerei und Grafik studiert. Seit 1999 ist sie freischaffende Künstlerin und Mitglied im Künstlerbund. So war sie auch u.a. an der Ausstellung 30 Jahre Künstlerbund im Jahr 2020 beteiligt.
Sie erhielt verschiedene Stipendien. Ihre Arbeiten waren bzw.sind in zahlreichen Galerien und Ausstellungen vertreten.
Während hier vorwiegend Öl- und Pinselarbeiten auf Papier, Leinwand und Hartfaser zu sehen sind, vereint das Werk von Karen Roßki jedoch eine Vielzahl mehr an künstlerischen Ausdrücken. Ihre Arbeitsweise gleicht dabei einer Annäherung. Die sorgfältige Auswahl der Farben und Materialien gehören zu diesem Arbeitsprozess. In ihrem Atelier lassen sich so sehr unterschiedliche Werke entdecken: neben vielen Papier- auch textile Arbeiten, z.Bsp. mit der Baumwollfaser Linter. Das sind von roher Baumwolle abgetrennte kleinere Fasern, die nicht in der Spinnerei weiterverarbeitet werden können.
Karen Roßki war nach ihrem Diplom Meisterschülerin bei Inge Götze, die als Professorin für Textilkunst 40 Jahre an der Burg in Halle gelehrt hat. Kein Wunder also, dass das Textile für Karen Roßki von großem Interesse ist.
Bei meinem Besuch in ihrem Atelier erfuhr ich, dass Wasja Götze, der Mann von Inge Götze, ebenfalls als Künstler arbeitet. Den größeren Bekanntheitsgrad genießt hier wohl aber Sohn Moritz Götze. Eine Künstlerfamilie also.

Während sich Entspanntheit über unsere Züge legt, wir uns vielleicht an unseren letzten Urlaub erinnert fühlen…,
möchte ich Karen Roßki fragen: Hatten Sie im Urlaub Muse in den Himmel zu schauen? Haben Sie inspirierende Bilder mitgenommen in ihr Atelier?
Ich hoffe doch sehr für Beides ein Ja vernehmen zu können.

Ach so, Sie wissen sicher, wie es mit dem Gedicht „Erinnerung an Marie A.“ weiterging? :

Seit jenem Tag sind viele, viele Monde
Geschwommen still hinunter und vorbei.
Die Pflaumenbäume sind wohl abgehauen
Und fragst du mich, was mit der Liebe sei?
So sag ich dir: ich kann mich nicht erinnern
Und doch, gewiss, ich weiß schon, was du meinst.
Doch ihr Gesicht, das weiß ich wirklich nimmer
Ich weiß nur mehr: ich küsste es dereinst.

Und auch den Kuss, ich hätt ihn längst vergessen
Wenn nicht die Wolke dagewesen wär
Die weiß ich noch und werd ich immer wissen
Sie war sehr weiß und kam von oben her.
Die Pflaumenbäume blühn vielleicht noch immer
Und jene Frau hat jetzt vielleicht das siebte Kind
Doch jene Wolke blühte nur Minuten
Und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind.
Ich wünsche Ihnen viel Muse mal wieder in den Himmel zu schauen und einen schönen Ausstellungsrundgang und insprierende Gedanken – nicht nur mit den Brechtschen Worten, sondern vor allem mit den wunderbaren Farbexplosionen von Karen Roßki.

Solvig Frey
28.09.2023